Warten auf... …den Weltuntergang

Verfasst am: 26.11.2012 | Autor: Marcus Ertle

Ein Interview mit Bernd H., der es sich zur Aufgabe gemacht hat, Parawissenschaften kritisch zu untersuchen...

Augsburg im November, Vögel singen, Kinder lachen auf den Straßen - trotzdem ist der Tag schön. Der perfekte Ausklang ist da der Besuch eines erhebenden Vortrags im Sparkassen-Planetarium über ein Thema, das einem irgendwie am Herzen liegt: Der angeblich drohende Weltuntergang am 21.12.2012. Kurz vor dem Vortrag ist Zeit für ein Interview mit dem skeptischen Referenten Bernd H., der es sich zur Aufgabe gemacht hat, Parawissenschaften kritisch zu untersuchen. Die Themen: Weltuntergangsvorhersagen, schwarze Katzen und die Sehnsucht nach Berechenbarkeit.

Was sind eigentlich Parawissenschaften?
Ich beschäftige mich mit Zombies, Astrologie, Geisterjagd, Homöopathie, Hellsehen, Wahrsagen, Prophezeiungen, Nostradamus etc.

Das heißt: Sie wollen es widerlegen, oder beweisen?
Die Skeptiker sind eine Organisation, die sich kritisch mit solchen Phänomenen beschäftigt. Wir sagen nicht von vornherein: Das gibt es alles nicht. Aber wir versuchen, die Sachen selbst zu überprüfen, oder wir wollen die Beweise dafür sehen. Die Beweislage für diese Phänomene geht gegen null.

Fangen wir mal mit dem Weltuntergang an: Wie wird der 21.12.2012 so laufen?
Hektisch, weil die allermeisten Leute um diese Zeit anfangen werden, sich Gedanken über Weihnachtsgeschenke zu machen.

Die Welt geht mal wieder nicht unter.
Warum sollte sie denn?

Die blöden Maya sollen es gesagt haben.
Die Maya selbst haben das gar nicht gesagt. Sie kennen keine derartige Prophezeiung für den 21.12.2012. Das ist eine Erfindung westlicher Esoteriker und wird von bestimmten Medien wiederholt. Man sucht sich eine versunkene Hochkultur, von der man möglichst wenig weiß, die möglichst wenig schriftliche Aufzeichnungen hinterlassen hat, die irgendeinen spirituellen Ruf hat, und dann pflanzt man da alles rein, was die eigene Phantasie hergibt.

Ich fürchte ja, dass diese ganzen unerfüllten Weltuntergangsvorhersagen zu einem totalen Ansehensverlust des Weltuntergangs führen werden. Das nimmt doch keiner mehr ernst.
Warum sollte man ihn den ernst nehmen?

Weil der Weltuntergang etwas ziemlich Apokalyptisches ist und weil alles Apokalyptische einen gewissen Respekt abnötigt.
Das versteh ich nicht.

Na, der Weltuntergang schafft doch erst den nötigen Nervenkitzel, das ist doch vitalisierend.
Diesen Nervenkitzel kriegt man aber doch z.B. auch, wenn man ins Kino geht. Die Welt wird aber wohl erst in vier Milliarden Jahren untergehen.

Und wenn plötzlich ein Asteroid auf uns zurast?
Das kann man nie ausschließen, aber man arbeitet ja an Abwehrsystemen, die sind noch nicht ganz ausgereift, wenn es in den nächsten zwanzig Jahren passieren würde, wäre das dumm. Aber Asteroiden kommen ja nicht aus dem Nichts, der nächste kritische Termin ist 2029, da kommt ein Asteroid der Erde relativ nahe, mehr aber auch nicht. Dass so ein Teil die Erde irgendwann man trifft, ist nicht vollkommen unmöglich, was mir aber viel mehr Sorgen macht, sind mögliche menschengemachte Weltuntergänge. Es kann ja sein, dass die Menschheit irgendwann doof genug ist, sich selbst in die Luft zu jagen, aber das hätte dann nichts mit den Maya oder Schicksal zu tun.

Manche fürchten, dass die Welt einfach mal aufhört, um die Sonne zu kreisen und ziellos ins All fliegt.
Warum sollte die Welt das tun?

Immer diese Gegenfragen. Könnte es nicht sein, dass sie einfach vom Weg abkommt?
Nette Vorstellung, aber da müsste es ja eine Himmelsmechanik geben, die das herbeiführen könnte. Es gibt ja Kräfte, die sie dazu bringen, das zu tun, was sie momentan tut und um das zu ändern, bedürfte es schon sehr starker Kräfte, solche Kräfte kennen wir aber nicht.

Also, die Erde dreht sich einstweilen um die Sonne, tödliche Asteroiden sind nicht in Sicht, die Maya sind völlig wurscht.
Genau.

Schon mal Gedanken gemacht, wie sich die Menschheit nach einem Untergang der Zivilisation neu ordnen würde?
Das wäre sicher interessant, die Leute kriegen ja schon Panik, wenn der Strom ausfällt oder es im Winter stark schneit. Ich denke und hoffe, dass die Leute sich schnell auf das besinnen würden, was unsere Vorfahren auch getan haben.

Eher eine Mad-Max-Welt, also brutale Anarchie, oder eher eine soziale Welt der Kooperation?
Vielleicht gibt es auch noch etwas dazwischen, so wie „Unsere kleine Farm“.

Zurück zur Landwirtschaft.
Das könnte sein, die Rückkehr zur Selbstversorgung.

Wäre halt stinklangweilig, ohne Fernseher, ohne Internet.
Meine Großeltern haben sich auch ohne nicht gelangweilt.

Die kannten es ja nicht anders.
Ich habe meinen Fernseher vor fünf Jahren auch rausgeschmissen, weil ich diesen ganzen Blödsinn nicht mehr ausgehalten habe.

Welchen Blödsinn speziell?
Von "Wetten, dass..." bis zu Nachmittagstalkshows, das hält ja kein Pferd aus. Wir Skeptiker wollen die Menschen ja dazu ermuntern, die Dinge zu überprüfen und intelligent zu prüfen.

Dann prüfen wir gleich mal intelligent: An Astrologie was dran?
Es wurden schon tausendfach Tests mit Astrologen gemacht und kein Einziger hatte eine signifikante Erfolgsquote.

Und da freut man sich immer so, wenn man wen kennenlernt, der astrologisch gut zu einem passt.
(lacht) Dafür ist Astrologie auch gut: Zum Flirten und als unterhaltsames Zeichenspiel, viel mehr ist leider nicht dran. Ich kann auch nur jedem davon abraten, auf astrologische Partnersuche zu gehen. Wir hatten Leute, und da wird es dann sehr viel weniger lustig, die haben sich von ihrer Ehefrau scheiden lassen, weil der Astrologe sagte: Das geht nicht gut.

Ernsthaft?
Ja, das kann zur selbsterfüllenden Prophezeiung werden, wie bei Hellsehern.

Und die typischen Eigenschaften der Sternzeichen?
Jeder von uns verhält sich mal wie ein typischer Wassermann, ein typischer Skorpion oder ein typischer Löwe.

Sie nehmen mir alle Illusionen.
Ich find’s auch gut, keine Illusionen zu haben. Die Welt ist so spannend und ein rationales Leben kann ich nur empfehlen. Man muss sich nicht in irgendwelche Spinnereien flüchten, das macht das Leben nicht besser, sondern schlechter.

Vielleicht ist es die Sehnsucht nach Berechenbarkeit und Gewissheit in einer Welt, in der es ziemlich zufällig und willkürlich zugeht.
Das ist der Hauptgrund für Aberglaube und Esoterik: Menschen sind oft nicht fähig, den banalen Zufall zu ertragen. Deswegen sucht man nach Mustern, verknüpft Dinge miteinander, die nichts miteinander zu tun haben. Daheim fällt ein Bild runter, eine Stunde später ruft jemand an und sagt, dass ein Onkel gestorben ist und man denkt dann, der Onkel wollte damit etwas mitteilen. Nein, das wollte er überhaupt nicht, es ist einfach ein Bild runtergefallen, wenn das eine Woche vorher passiert wäre, hätte keiner dran gedacht. Das nennt man selektive Wahrnehmung, die ist deswegen so stark, weil sie uns berührt. Alles, was ich ihnen jetzt erzähle, kling logisch und einleuchtend, aber es ist kalte Wissenschaft und in emotional aufgeladenen Situationen will man nichts von Zufall und Wissenschaft hören, das verstehe ich schon.

An Wahrsagerei was dran?
Wahrsager sind sehr gute Menschenkenner, wir haben uns auf Esoterikmessen als solche ausgegeben und Leute beraten. Wir haben dabei die Psychotechnik „Cold reading“ verwendet, da wird suggeriert, dass man alles über den anderen weiß. Das ist eine Mischung aus Menschenkenntnis, Körpersprache, Banalitäten, Statistiken und damit fährt man sehr gut.

Was würden Sie bei mir sagen?
Bei einem Journalisten würde man damit anfangen, dass er kreativ ist, das hört jeder gerne und nur das merkt man sich auch, alles, was der Selbstwahrnehmung nicht entspricht, vergisst man und man erzählt nur das weiter, wo der Wahrsager richtig lag. Oder ich sage: Nächstes Jahr werden Sie eine Reise unternehmen und einen Preis gewinnen...

New York, Pulitzer-Preis.
Genau, oder man sagt, dass es jemandem gibt, dem man sehr wichtig ist. Das wünscht man sich ja auch.

Es ist zu allgemein, um wahr zu sein.
Es gibt auch Prophezeiungen, die sich selbst wahr machen, weil die Menschen so überzeugt davon sind. Das ist auch das Geheimnis des Hexenliebeszaubers, heute ist in den Schulklassen ja jedes zweite Girlie eine Hexe, und sie macht dann einen Liebeszauber für die Mitschülerin und das funktioniert manchmal auch tatsächlich, weil die Mitschülerin überzeugt davon ist, dass es klappt und dann selbstsicherer und offener ist.

Was ist dagegen einzuwenden? Man könnte ja sagen: Humbug hin oder her, Hauptsache, es funktioniert.
Dagegen kann man einwenden, dass man sich auf Unsinn verlässt. Beziehungen bestehen oft eben auch Beziehungsarbeit, das ist nicht ganz leicht, Liebeskummer ist auch sehr schmerzhaft, aber es ist besser, wenn man etwas daraus lernt und die eigene Sozialkompetenz stärkt, statt sich auf irgendeinen Humbug zu verlassen, der beim nächsten Mal wieder nicht funktionieren wird.

Waren Sie schon immer so skeptisch?
Nein, ich bin ja auch mit Ufos, Bermudadreieck und Erich von Däniken aufgewachsen, aber als dann die hundertste Prophezeiung von Nostradamus immer noch nicht gestimmt hat, die Welt 1999 immer noch nicht untergegangen ist und die Ufos immer noch nicht gelandet sind, habe ich das alles irgendwann nicht mehr geglaubt.

Was schreibt ein Skeptiker ins Poesiealbum?
Ob einem die schwarze Katze, die über den Weg läuft, Unglück bringt, hängt eigentlich nur davon ab, ob man ein Mensch ist oder eine Maus.

Danke.