Im Westen was Großes

Den Preis für die größte Pressemappe hat das »neue Gaswerk« schon mal abgeräumt. Das ca. 42 auf 30 Zentimeter messende Heft ist nur ein Hinweis auf die Ausmaße des Projekts, das Ende Januar im Vortragssaal der Stadtwerke vorgestellt wurde. Dazu passte der für eine Pressekonferenz ungewöhnlich große Veranstaltungsraum. Neben den Medien waren zahlreiche aktuelle und potentielle Nutzer vertreten, wie der Stadtjugendring, das Proberaumkollektiv Kuki e.V., der Liveclub Kantine, das Popoffice und natürlich der Popkulturbeauftragte. Und auch die Verkünderseite hatte inklusive der verantwortlichen Architekten einiges aufgefahren: Die Vorstellung der Machbarkeitsstudie zum Kulturparkumzug ins Gaswerk geriet zum referatsübergreifenden Bekenntnis zum »Kreativwerk« in Oberhausen.

Dabei hatten die meisten Besucher wohl mit einer eher trockenen Geschichte gerechnet. Ob der Kulturpark West (KuPa) von seinem jetzigen Standort in der früheren Reese-Kaserne auf das Gaswerkgelände in Oberhausen umziehen kann und was das kosten würde – diese Fragen sollte ein internationales Architektenteam innerhalb von nur rund vier Monaten klären. Nach einer kurzen Einführung durch den Hausherrn des Gaswerks, Stadtwerke-Geschäftsführer Claus Gebhardt, übernahm OB Kurt Gribl das Wort, der - nicht als Erster und schon gar nicht als Letzter - die Bedeutung des Projekts für die Bereiche Kultur, Städtebau und Wirtschaft betonte. Dementsprechend hatten um ihn herum die Referenten Eva Weber (Wirtschaft), Gerd Merkle (Bau) sowie Peter Grab (Kultur und Sport) Platz genommen. Die Kurzpräsentation der Studie übernahm Gundula Cordes (Amsterdam) stellvertretend für das verantwortliche Architektenteam, dem neben Cordes Vertreter aus Utrecht und Essen angehörten.

Die Präsentation geriet dabei zur Ideenwerkstatt, die Architekten zeigten teilweise komplett neue Vorschläge für die Gestaltung des Areals, wie die Unterbringung der Bandproberäume in einem vierstöckigen Neueinbau im Scheibenglasbehälter (Gaskessel) und den Abriss der beiden benachbarten Teleskopgasbehälter, um u.a. eine neue Eingangssituation und weitere Neubebauung (aka Nachverdichtung) zu ermöglichen. Für das Ofenhaus sieht die Studie eine Haus-in-Haus-Lösung für Ateliers und Studios vor, das Reinigergebäude soll zur Veranstaltungshalle werden, die »grüne Insel«Gaswerk mit ihrem reichen Baumbestand zum »Bürgerpark«.

Ideen, von denen sich Politik und Stadtwerke begeistert zeigten. Von einer »einmaligen Chance für die Kultur- und Kreativszene« sprach Baureferent Merkle unisono mit Wirtschaftsreferentin Weber, Kulturreferent Grab ergänzte: »Hier ist alles denkbar«, u.a. in Gedanken an die Sanierung des Großen Hauses und mögliche Ausweichorte für das Theater Augsburg oder das Brechtfestival. Der von seinen jetzigen 7.000 auf 10.000 Quadratmeter erweiterte Kulturpark West soll nach den bisherigen Planungen als »Keimzelle« ein Anziehungspunkt für weitere Ansiedlungen aus der Kreativwirtschaft werden, die laut Weber in Augsburg bereits 20.000 Arbeitsplätze stellt.

»Es wird keiner auf der Straße stehen« (Kurt Gribl)

Dem OB blieb es schließlich überlassen, den Bedenkenträger zu spielen, wenn auch nur kurz. Die Studie lieferte eine Gesamtkostenschätzung von 25 bis 30 Millionen Euro. »Es ist finanzierbar«, sagte Gribl, der dabei auf »erhebliche Fördermittel« vom Landesamt für Denkmalpflege, durch die Städtebauförderung sowie den Europäischen Strukturfond setzt. Auf Nachfrage beruhigte der OB darüber hinaus die jetzigen Mieter des Kulturparks: »Es wird keiner auf der Straße stehen, auch wenn 2017 der Umbau vielleicht noch nicht abgeschlossen ist.« Im November 2017 endet der Mietvertrag des Kreativareals in der ehemaligen Reese-Kaserne.

Voraussichtlich im April 2014 soll nun eine mehrmonatige »Zukunftswerkstatt« starten, in der alle möglichen Beteiligten - das Presseheft spricht von »Bürgern, Kreativen, Experten, Planern, Politik, Verwaltung etc.« - einbezogen werden, um den »Masterplan Kreativwerk« zu erstellen. Die Organisation übernimmt der Popkulturbeauftragte Stefan Schleifer, der sich allerdings noch bedeckt hält über die genaue Zusammensetzung und den Zeitplan. Sicher mit von der Partie sind der Liveclub Kantine, dessen Inhaber von Anfang an dabei sind und auch über 2017 hinaus gerne Teil des Kulturparks bleiben möchten, und der Stadtjugendring, der u.a. einen Ersatz für das baufällige Jugendzentrum in Oberhausen sucht.

Vor einer allzu offenen Behandlung der Thematik warnen indes die Kulturpark-Geschäftsführer Peter Bommas und Thomas Lindner. Die beiden waren seit Beginn im September vergangenen Jahres in die Erstellung der Machbarkeitsstudie eingebunden und haben - u.a. am Lagerfeuer im KuPa-Biergarten - versucht, den Vertretern der Architektenbüros den »Spirit« des Kulturparks zu vermitteln. Sollte der nun vorliegende Plan in der Zukunftswerkstatt wieder vollkommen aufgedröselt werden, sehen sie die Fördergelder in Gefahr. Und drei Jahre Planungs- und Bauzeit sind für ein so großes Projekt nicht gerade üppig.

Einen Monat nach der Pressekonferenz gleichen die Gaswerksdiskussionen noch sehr dem berühmten Fluss, in den man bekanntlich nie zweimal steigen kann. Ein Teil der KuPa-Künstler sehen ihre Zweifel noch nicht vollkommen ausgeräumt, bei Kuki hat man noch gewisse Vorbehalte gegen den fensterlosen Gasometer (wobei es auch außerhalb des Gaskessels Räume für Musik, insbesondere Studios und Unterrichtsräume, geben soll). Zukunftswerkstatt-Organisator Stefan Schleifer darf sich also auf durchaus kontroverse Diskussionen freuen.

The Secret Heart

Ein weiterer Impuls für die Belebung des Gaswerks kommt derweil von den Augsburger Kunstsammlungen. Auf Initiative von Kunstsammlungsdirektor Christof Trepesch sowie mit Unterstützung der Stadtwerke und der Stadtsparkasse konnte der weltweit renommierte spanische Künstler Jaume Plensa für eine ungewöhnliche Installation im Gaskessel gewonnen werden. Ab 07. Juni soll - parallel zum Grenzenlos-Festival - sein »Secret Heart Of The Clock« im Gaskessel zu schlagen beginnen, ein durchaus willkommenes Symbol. Das Sounddesign der in 25 Meter Höhe freischwebenden Installation soll von Augsburger Bürgern mitgestaltet werden. Ergänzt wird das Gastspiel des Bildhauers aus Barcelona durch Skulpturen im Schaezlerpalais und weiteren Ausstellungstücken im Glaspalast. Das sei für Augsburg »spektakulär«, wie Christoph Trepesch bei der Vorstellung der Idee Mitte Februar im zugigen Gaskessel betonte, schließlich mache Plensa »solche großen Sachen im öffentlichen Raum nur noch, wenn er Lust drauf hat, ihn also der Ort reizt«.

Kreativwerk? Och nö, ne?

Apropos reizen: Die von den Auftraggebern der Machbarkeitsstudie »entwickelte« Bezeichnung »Kreativwerk« sorgt jenseits aller planerischen Überlegungen für Unmut, nicht nur in der Presse. Abgesehen davon, dass die Namensgebung ungefähr so kreativ ist wie die Songtitel von Manowar: Beim Gaswerk weiß zumindest jeder Augsburger, was gemeint ist, wer den austauschbaren Begriff »Kreativwerk« googelt, bekommt so ziemlich alles vom T-Shirt-Bedrucker in Tirol bis zum Kosmetikstudio einer Jutta Lampe im niedersächsischen Nordhorn. Bei der Eingabe »Gaswerk« steht das Augsburger Gelände jedoch auch ohne den Städtezusatz ganz oben. Und da wollen wir doch hin, oder? (flo)

Fotos: swa/Thomas Hosemann; Grafiken: Dynamo Architekten Utrecht/Felmede Mandel Architekten + Ingenieure Essen/Gundula Cordes Architect BNA Amsterdam

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