Kennen Sie das Gefühl, der Letzte zu sein, der noch mit der Telekom telefoniert?
Abenteuer des Alltags

Letztens doch glatt mal eine Postkarte mit der Konkurrenz verschickt. Also nicht den gelben Briefkasten genommen, sondern den orangefarbenen. War nicht meine Idee, mein Schreibwarentabakbierlottoscheinschokoriegeldealer hat mir das empfohlen und ich werde den Teufel tun und dem Mann widersprechen, der meine Schwächen mit am besten kennt. Außerdem war’s ja ganz lustig, die Post mal in den anderen Kasten zu werfen. Die Karte kam dann auch sicher an, war allerdings mit einem etwas befremdlichen Aufkleber versehen, der das eigentlich als Zuneigungsbeweis gedachte Schriftstück doch etwas verschandelt hat. Was mich aber noch mehr verunsicherte: Prompt rief am nächsten Tag die Telekom an! Kann mir doch keiner erzählen, dass das Zufall ist, auch wenn die Zeiten der allmächtigen Bundespost seit 1994 vorbei sein sollten.
Kennen Sie das Gefühl, der Letzte zu sein, der noch mit der Telekom telefoniert und surft? Ich weiß, wie unwahrscheinlich das ist, doch in meinem Freundeskreis ernte ich für gewöhnlich nur Lacher für meine Treue zum früheren Staatsbetrieb. Aber anstatt ihren gefühlten einzigen Kunden in Augsburg zu hegen und zu pflegen, behandelt einen das Bonner Unternehmen wie den letzten Postkartenschreiber. Diese Erfahrung mache ich regelmäßig alle paar Jahre, wenn der Router mal wieder seinen Geist aufgibt.
»Ihr Router ist kaputt?«, der Mann im Telekomladen blickt auf mein wenige Jahre altes Gerät, als hätte ich ihm den Schrumpfkopf von Nachbars Dackel mitgebracht. »Reparieren?«, der IT-Fachmann lacht aus allen Hemdknöpfen, nur den Mund hält er noch einigermaßen gerade. Und so kaufe ich den dritten Router seit 2007, das macht pro Exemplar eine Lebenszeit von immerhin rund dreieinhalb Jahren. Früher hätte sich eine deutsche Firma für so etwas geschämt, mittlerweile schämt sich die Telekom wohl für Kunden, die so einen Unsinn erwarten. Das Kulanzangebot des freundlichen T-Punkt-Mitarbeiters ist dann auch dementsprechend eindeutig: Da steht das neue Gerät für knapp 80 Euronen, den hätten Sie sich sowieso bald kaufen müssen, weil »die Telekom« in Kürze irgendwas umstellt und dann die alten ausgedient haben. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob er »die alten« auch mit kleinem a schreibt, aber die Botschaft ist unmissverständlich: Friss oder stirb, Privatkunde, wir brauchen dich und deine kindischen Miniumsätze so dringend wie Baschar al-Assad Wählerstimmen. Interessant finde ich beim Hinausgehen noch, dass der gute Mann auch »die Telekom« sagt, mit dem Wir scheint es nicht weit her zu sein beim früheren Volksaktienemissionär.
Erstaunlich gut funktioniert allerdings die Installation des neuen Routers, der mit seinem offensichtlichen am angeknabberten Apfel orientierten Design sogar ein wenig Glanz in die alte Hütte bringt. Klar ist allerdings auch, dass sich das Teil nicht mehr ein- und ausschalten lässt, die fünf ewigen Lichterchen auf seiner Frontseite gemahnen ihn wie mich nun Tag und Nacht an unsere begrenzte Zeit zu zweit, es besteht erfahrungsgemäß wenig Hoffnung, dass das Routerchen die WM in Russland noch erlebt. Aber man soll ja den Putin nicht an die Wand malen.
Bevor es zu rührselig wird, meldet sich eh die Telekom schon wieder. Allerdings nicht mit einem Dankesschreiben für langjährige Treue oder so. Nein, das Unternehmen, das imagemäßig irgendwo zwischen der FIFA und der Beulenpest rangiert, ist auch bei der telefonischen Kundenbetreuung sensibel wie ein ukrainischer Separatist am Zarengeburtstag. Mindestens einmal im Monat präsentiert sie ein schwer verständliches, aber mit reichlich Anglizismen versehenes Neuangebot, das logischerweise nur darauf abzielt, den aktuellen Tarif zu verlängern und zu optimieren – für die Telekom.
Letztens war’s mir dann aber doch zuviel: Viermal klingelte die gefürchtete 0800er-Nummer auf meinem Handtelefon an einem unschuldigen Donnerstagvormittag und nach dreimaligem Wegdrücken ist mir der Kragen geplatzt, was die arme Mitarbeiterin in ihrem Callcenter an der polnischen Grenze dann auch ganz böse abbekommen hat. Das tut mir heute noch Leid, aber seitdem ist wenigstens Ruhe im Karton - und ich verpasse vermutlich gerade die Sondertarife meines Lebens...