...einen Kaffee mit dem Papst

Augsburg im Sommer, es ist so heiß, dass man am besten einfach nur irgendwo sitzt oder liegt, oder fährt, aber mit viel Fahrtwind. Stehen und Gehen dagegen sind eher schlecht. Beim Hauptbahnhof am Brunnen sitzen und ein Buch lesen, ist nicht das Dümmste, so wie Davide Z., der Zeit für ein Gespräch über Politik, den Papst und das Leben an sich hat...

Wie heißt du nochmal?
Davide.

Wieso nicht schlicht David? Versteh das jetzt nicht als Vorwurf, aber Davide klingt etwas extravagant.
Weil ich Italiener bin.

Oh, das Z könnte dann für Zampano stehen.
So ähnlich, ja.

Was liest du da für ein Buch?
"Wir müssen über Kevin reden".

Wieso?
Also, das ist ein Briefroman, der handelt davon, wie die Mutter von Kevin mit der Schwangerschaft nicht klarkommt, am Ende wird sie dann von Kevin nicht akzeptiert und er wird zum Killer.

Apropos Briefe, schreibt man in deinem Alter noch handschriftliche Briefe?
Ich bin 18 und ich schreibe schon noch mit der Hand Briefe, z.B Liebesbriefe an meine Freundin.

Der romantische Liebesbrief mit Füller, es gibt ihn also noch.
Ja, das hat Stil.

Außer man hat eine sogenannte Sauklaue.
Das wird mir oft angekreidet.

Oft verkennen die Leute aber auch eine markante Schrift und nennen sie aus Unwissenheit heraus Sauklaue.
Das passiert wirklich öfter, stimmt.

Was ist eigentlich das langweiligste Thema, das du dir vorstellen kannst?
Das ist mit Sicherheit Politik.

Nein!
Doch!

Dann wäre es natürlich sadistisch, dich zu Politik zu befragen.
Allerdings.

Dann machen wir das. Was ist schlimmer: Politik oder Politiker?
Beides, meiner Meinung nach kann kein Politiker Politik für die große Masse machen, jeder macht Politik für seine eigene Hosentasche, das beste Beispiel ist Berlusconi.

Für Italien mag das zum Teil zutreffen, aber hier?
Hier ist es eben die FDP. Die Demokratie sollte eine Herrschaft des Volkes sein, das Volk sollte also entscheiden, aber das ist im Grunde unmöglich.

Das Volk ist eben oft ein dummer Hund.
Theoretisch bin ich ja eher links eingestellt, eigentlich war ja Jesus der größte Kommunist.

Jesus?
Ja, weil er darauf eingegangen ist, dass alle Menschen von ihrem Wert her gleich sind. Das hat nichts mit dem Kommunismus der DDR oder Stalin zu tun.

Was würdest du denn anders machen, wenn du die Macht hättest?
Ich würde die Studiengebühren abschaffen, damit jeder die gleichen Chancen hat, egal, ob er aus einer Hartz-4-Familie kommt oder ein Arztsöhnchen ist. Ich finde es unter aller Sau, dass Banker, nachdem sie den kleinen Mann um seine Ersparnisse gebracht haben, Milliarden an Abfindungen bekommen.

Aber was soll man dagegen machen?
Es gibt ein Zitat aus meinem Lieblingsfilm, "Die fetten Jahre sind vorbei", da sagt einer: Ich bin lieber krank als normal, denn normal sein heißt, den Menschen beim Leiden zuzuschauen, ohne zu helfen.

Die entscheidende Frage ist doch: Was soll, was kann man konkret machen?
Durch kreative, friedliche Rebellion, die Menschen zum Lachen bringt, durch Streetart oder Graffiti.

Du bist aber nicht der Blumenmaler?
Nein, der bin ich nicht, das war absolut kein Outing!

Aber diese kreative Art der Rebellion wird doch auch irgendwann vereinnahmt.
Ja, das stimmt, das ist ja auch schon mit Graffiti passiert, so was zerstört die Kunst.

Hast du als "angry young man" keine Lust, mal einen Stein in irgendein Fenster zu werfen, eine Mülltone anzuzünden?
Ich hab schon was Ähnliches gemacht, aber das kann ich jetzt hier nicht sagen. Das Problem ist, dass bei Gewalt indirekt oder direkt immer ein anderer Mensch zu Schaden kommt, deswegen mach ich es nicht, vielleicht kommt da ja ein Arbeiter zu Schaden, der für das Gleiche kämpft wie ich.

Ist das tatsächlich eine Kategorie, in der du denkst: Arbeiter und Kapitalisten?
Nein, eigentlich nicht, das war jetzt nur ein Beispiel. Ich glaube schon, dass manche noch in der Kategorie denken, aber das ist wirklich eine ganz kleine Minderheit.

Was machst du eigentlich so, Schule, Beruf, Uni?
Ich habe Abitur gemacht diesen Sommer und gehe jetzt erst mal ein Jahr nach Rom.

Was machst du da?
Ich werde vatikanischer Mitarbeiter, genauer gesagt Chauffeur.

Wen chauffierst du denn?
Abtprimas Notker Wolf.

Das ist doch der Chef des Benediktinerordens, der auch Rockmusik macht.
Ja, genau der, ich war mit meiner Band mal Vorgruppe von seiner Band und so kamen wir ins Gespräch. Später habe ich ihm dann eine Bewerbungsmail geschrieben und wurde genommen, der ist richtig gut drauf.

Was für ein Auto hat der Abt?
Mercedes E-Klasse.

Gibt’s dann auch gewisse Verhaltensregeln im Vatikan?
Ich muss um fünf Uhr morgens aufstehen und zur Frühmesse gehen.

Damenbesuch?
Nein, darf ich nicht haben, das wäre too much.

Und deine Frisur? Die ist doch sicher nicht vatikankonform.
In Rom kommen die Haare ab, die sind dann gleichmäßig kurz.

Kannst du mit der Kirche an sich was anfangen?
Ich finde sie zum Teil sehr bigott und homophob.

Na ja, wer selbst keinen Sex haben darf, ist bei anderen auch nicht großzügig.
Ja, aber hinter verschlossenen Türen halten sie sich ja selbst nicht dran, das ist nicht richtig.

Am Ende triffst du den Papst.
Ein paar Vorgänger haben ihn getroffen und durften mit ihm Kaffee trinken.

Worüber würdest denn mit ihm reden?
Mit dem Papst?

Ja klar, da muss man doch wissen, was man sagen wird.
Na ja, also in den fünf Minuten...

In fünf Minuten kann man doch viel Wichtiges besprechen, da musst du dir doch Gedanken machen.
Mir fällt eigentlich immer irgendwas ein, ich improvisiere, das mach ich beim Papst auch.

Na ja, nehmen wir mal an, ich bin der Papst und sage: Grüß dich recht herzlich, lieber Davide, wie geht es dir denn?
Gut und dir, äh, Ihnen?

Schon ein Fauxpas, du musst sagen: Eure Heiligkeit.
Ja, okay, Eure Heiligkeit.

Flapsigkeit ist da fehl am Platz.
Aber es hat geheißen, dass er ganz locker sein soll.

Der Papst?
Ja!

Gut, er hat vielleicht einen trockenen Humor, das darf man aber nicht mit Lockerheit verwechseln.
Ich habe einen sehr schwarzen Humor.

Schwarzer Humor ist gefährlich, nehmen wir an, der Papst sagt zu dir: Davide, erzähl uns doch ein kleines Witzchen.
Da kenn ich einen: Ein Mann geht mit einem kleinen Jungen in den Wald und der Junge sagt zum Mann, dass er Angst hat, weil der Wald so dunkel ist, und dann sagt der Mann: Was soll ich denn sagen, ich muss später wieder ganz alleine zurücklaufen.

Ich glaube, dass der Papst darüber nicht schmunzeln würde.
Das würd ich auch nie machen, das wär mir zu gewagt, er ist immerhin der Papst.

Ja, es gibt einfach Themen, darüber spricht man nicht mit einem Papst, z.B über Frauen.
Ach, wieso nicht? Ich könnte ihm sagen, dass ich bisschen weit weg von meiner Freundin bin und ob er mir einen Segen geben kann.

Was soll er da groß sagen, er hatte noch nie eine Freundin.
Das weiß man ja nicht, es gab ja sicher auch eine Zeit vor der Priesterweihe.

Wie sieht's eigentlich mit Treue bei dir aus, ist man mit 18 schon so weit, dass man sagt: Die eine und keine andere?
Also, bei mir war's so, ich hab in meinem ganzen Leben 172 Körbe bekommen...

Da hast du mitgezählt?
Aufgerundet und dreißig mal bei derselben Frau zählen auch mit...

...was die Statistik relativiert...
...und meine jetzige Freundin war die Richtige, obwohl sie noch einen Freund hatte, als ich mich in sie verliebt habe, da hatte ich schon Skrupel. Am Anfang hat sie mir auch einen Korb gegeben, aber ich bin ja Italiener und hab es ein zweites Mal probiert und dann hat es irgendwann funktioniert.

Da seid ihr vorbildlich, wenn schon nicht in der Politik. Gibt’s noch ein Thema, über das du gern reden würdest?
Zukunft, ich hab Angst vor der Zukunft.

Warum?
In Italien gibt’s ja den Begriff der jungen 1000-Euro-Generation.

Aber 1000 Euro sind doch auch was.
Ja, aber wenn man in einer teuren Stadt lebt und Miete zahlen muss, bleibt nicht mehr viel. Die jungen Menschen von heute können einfach nicht mehr davon ausgehen, dass sie einen Job finden werden, mit dem sie eine Familie ernähren können. Oder die Generation Praktikum, das find ich auch schlimm. Man macht ein Praktikum nach dem anderen, hängt sich rein, kriegt kein Geld dafür, hat nichts davon und schaut sich wieder nach dem nächsten Praktikum um. Es ist traurig, wir werden dazu getrimmt, zu funktionieren, und wenn einer nicht mehr funktioniert, hat er keine Chance mehr.

Eine Art Ökonomisierung des Lebens.
So wie die Schulen, die zu Lernfabriken werden, damit wir schneller auf den Arbeitsmarkt kommen oder in die Arbeitslosigkeit.

Ich dachte, mit 18 wäre man optimistischer.
Ich kenne viele, die so denken. Es heißt ja, dass jede Generation ihren Krieg hat, und unser Krieg ist die Ellbogengesellschaft.