Gribl, oder?

Verfasst am: 01.04.2014 | Autor: Florian Kapfer

Das Rathaus am Wahlabend erinnerte eher an einen Bahnhofswartesaal ohne Gleisanschluss...

Schon schön, dass die Kommunalwahlen in Bayern im März stattfinden. So versüßsauern uns die unzähligen bunten Wahlplakate die grauen Wintermonate – und wenn die Bäume ausschlagen, hauen sie die ganzen selbsternannten Retter der Stadt gleich mit in den Wind. Schade ums Geld.

Apropos Geld: Wenn man die Anzahl der Stadtratssitze mit den Wahlkampfkosten verrechnet, haben die kleinen Parteien doch recht ordentlich abgeschnitten. So hat z.B. die Polit-WG für ihren einen Stadtratssitz gute 2000 Euro ausgegeben – die ehrenamtliche Arbeit natürlich nicht mitgerechnet. Übertragen auf die geschätzte eine Million Euro der CSU, kommt man bei 23 »gewonnenen« Sitzen für die Christdemokraten auf gut 40.000 Euro pro Mandat.

Kein Wunder, dass die Etablierten sauer sind auf die Rathausstürmer der erst im August vergangenen Jahres gegründeten Wählervereinigung, deren gutes Abschneiden – knapp hinter der ÖDP und deutlich vor der FDP - ein großartiger Erfolg ist. Doch kaum ein »arrivierter« Stadtpolitiker wagte am Wahlabend im Rathaus den Schritt auf die Politneulinge zu, teilweise reagierten amtierende Stadtratsmitglieder mit unverhohlener Ablehnung. Das ist natürlich ihr gutes Recht – aber dann sollten die beleidigten Pfründeverteidiger vielleicht auch endlich mal aufhören, der Welt zu erzählen, wie sehr sie sich das Engagement junger Leute wünschen würden.

Was glauben Sie, wie vor sechs Jahren so topmotivierte und -engagierte Neulinge wie Pro-Augsburg-Zugpferd Walter Seinsch umschwärmt wurden? Die dann nur Monate später dem Stadtrat sehr deutlich gezeigt haben, was sie von Parlamentsarbeit halten: gar nichts. Engagieren dürfen sich die jungen Leute freilich schon, im Stadtjugendring halt, oder sonst irgendwie selbstausbeuterisch und ohne pekuniäre Forderungen. Doch sobald auch nur ein Sesselchen im Stadträtchen in Gefahr kommt – alter Schwede, dagegen ist der Aufsichtsrat der nordkoreanischen Atombehörde ein offenes Haus!

Das offene Rathaus am Wahlabend erinnerte sowieso eher an einen Bahnhofswartesaal ohne Gleisanschluss - in einem Traum mit Tonstörung. Das permanente und richtungslose Stimmengewirr, die nur sichtbaren, aber nie vernehmbaren Interviews und Statements der Presseleute und Politiker, der immer wieder kurz aufbrausende Applaus beim Auftritt der Spitzenkandidaten, das eingefrorene Lächeln der Verlierer im Blitzlichtgewitter... Lediglich der Aufzug des Wahlsiegers bringt so was Ähnliches wie Stimmung, die CSU-Anhänger klatschen oben im Saal schon, als Kurt Gribl mit Partnerin unten den Aufstieg zum Oberen Fletz des Rathauses beginnt. Erst einige Minuten später taucht er auf – und wird sofort an der Wand entlang zu den Presseständen geführt. Auch hier kein direktes Wort an die Rathausgäste. Wenn man bedenkt, dass im Saal die Wahlbeteiligung bei nahezu hundert Prozent gelegen haben dürfte, wäre eine kurze Ansprache schon angebracht gewesen, bevor sich bei der nächsten Abstimmung so mancher nicht direkt beteiligter Gast zu den knapp 60 Prozent Nichtwählern gesellt. Doch an diesem Abend galten nur die Kameras, Mikrofone, das Abklatschen mit den Parteikollegen und das Shakehands mit den Konkurrenten.

Beim Gang nach draußen, etwa drei Stunden nach Schließung der Wahllokale, wenige Schritte vom Rathaus entfernt, als die Stimmen und Geräusche aus den Ü-Wagen verklungen sind, ist von der Stadtratswahl nichts mehr zu spüren. Beim Arkadas wirkt Peter Grab auf den Wahlwerbungspostkarten erstaunlich schnell gealtert, im Fernseher läuft der übliche Privatsender, die Ergebnisse der Kommunalwahl werden mit einem Schulterzucken quittiert: »Gribl, oder?« Womit ein erstes und erschreckend treffendes Fazit der Stadtratswahl 2014 gezogen wäre: Genau in diesem Schulterzucken der knapp 60 Prozent Nichtwähler liegt eine der dringlichsten Aufgaben der zukünftigen Stadtregierung.