Wie man sitzt, so wählt man...
Lean on me
Manchmal passt einfach alles zusammen. Irgendwie. Auch wenn es auf den ersten Blick gar keinen Sinn macht. Auf den letzten Blick vermutlich auch nicht, aber bis dahin haben die meisten sowieso das Programm gewechselt.
Es begann mit der Ankündigung des neuen Stücks des Jungen Theaters Augsburg. Das im Abraxas beheimatete Ensemble bringt im Februar das Leben von Rosa Parks auf die Bühne. Rosa Park, wir erinnern uns: die Afroamerikanerin, die zu einer Ikone der US-Bürgerrechtsbewegung wurde, weil sie 1955 ihren Sitzplatz im Bus nicht für einen Weißen räumen wollte. Titel des Stücks: »Rosa Parks – als Sitzenbleiben noch geholfen hat«. Touché! Guter Titel, gutes Thema.
Wenige Tage später flatterte die Presseerklärung unseres Oberbürgermeisters ins Haus, der Stellung nahm zu den frischinstallierten Sitzbänken auf dem Rathausplatz. Wir dachten zuerst an einen Scherz, aber unser Stadtoberhaupt war sich tatsächlich nicht zu schade, mitten zwischen Wahlkampf & Weltbild eindrücklich zu erläutern, warum die neuen Bänke vor dem Verwaltungsgebäude keine Rückenlehnen aufweisen. Ganz einfach: Weil in Augsburg nicht die Stadtverwaltung bestimmen will, in welche Richtung der sich erholende Bankbenutzer zu blicken hat. Touché! Darauf wären wir nun wirklich nicht gekommen, dass eine Rückenlehne eine dermaßen perfide Einrichtung sein kann, wie sie eigentlich nur in Diktaturen vorkommen dürfte. Pfui Lehne!
Nicht kapiert haben das natürlich mal wieder einige Vertreter der Opposition. Der OB-Kandidat der Freien Wähler, Volker Schafitel, formulierte gewohnt pointiert: »Eine Bank kann nicht Zukunft«. Die Stadtplaner hätten ihm zufolge ganz andere Sitzgelegenheiten vorgesehen, vermutlich etwas zukunftsträchtigere, also gar keine.
Gemessen an dem Furor von Linken-Stadtrat Alexander Süßmair war Schafitel aber geradezu lämmerhaft mild in seinem Urteil. Süßmair weiß genau, was Sache ist: »Bänke ohne Lehnen sind kein Versehen« titelte er fast schon poetisch in seiner Pressemitteilung zur Sitzkrise in Augsburg und man hört förmlich die Schlachtruferfahrung des FCA-Anhängers raus: »Fußballfans sind keine Verbrecher!«, oder: »Alles außer Sofa ist scheiße!« Laut Süßmair geht es bei der Lehnenpleite darum, die längere Verweildauer von weniger gut betuchten Bevölkerungsteilen an einem Ort in der frischrenovierten Fußgängerzone zu verhindern. Und warum gleich noch mal? »Dahinter steckt die Angst der neoliberalen Konsumideologen und konservativen Spießer, dass sich dort Personen oder Gruppen niederlassen, die das ’positive Konsumklima’ in den Einkaufsstraßen stören könnten.« Jugendliche, Punks, Arbeits- oder Wohnungslose wären »in den Innenstädten und Shoppingtempeln unerwünscht«, so Süßmair, schließlich würden sich »die Verfechter der neoliberalen Ideologie aus Wirtschaft, Politik und Bürgerschaft« durch die aufreizend entspannten Müßiggänger gestört fühlen. Erneut touché! Rückenlehnen für Punks hat wohl auch noch niemand gefordert.
Volker Schafitel zieht aus dem Disput indes folgenden Schluss: »Wenn man den Augschburger auf eine unbequeme Bank zwingt, wird es für die Politiker auch unbequem!« Hm, Protest haben wir eigentlich gar keinen mitbekommen. Und ob der Architekt seine potentiellen Wähler wirklich mit einem »sch« im Stadtnamen reizen sollte? Ist ihm aber egal, er macht’s gleich noch mal: »Der Augschburger könnte das öfter so machen – dann könnte seine Stadt vielleicht sogar bequeme Zukunft«, schreibt Schafitel weiter, und das verdient nun wirklich ein letztes: touché! Eine »bequeme Zukunft« hat uns schließlich seit dem Biedermeier keiner mehr versprochen.
Wir halten also fest: Wie man sitzt, so wählt man. Wer betrügt, fliegt mit dem ADAC-Rettungshubschrauber. Wer sich anlehnt, kauft nicht ein. Neoliberale sitzen nie. Außer beim Fußball. Noch Fragen? Na sehen Sie. Manchmal passt einfach alles zusammen.