In Augsburg kommt nicht nur der Zug zu spät, sondern gleich der ganze Bahnhof...
Mobrechfried & Fuggenergie

Es ist fast schon wieder eine typische Augsburger Schnurre: Hier kommt nicht nur der Zug zu spät, sondern gleich der ganze Bahnhof! Jahrelang war das Jahr 2019 der Schwarze Mann der Augsburger Politik. Wer bis dahin nicht seine Zügchen im Trockenen hat, hieß es, der bekommt keinen müden Cent mehr von der Bundesregierung und muss bis in die dritte Generation Reparationszahlungen leisten. Oder so ähnlich. Mittlerweile wird die Jahreszahl behandelt wie Orwells »1984« oder der ach so schlimme Jahrtausendwechsel. War da was?
Das Fiese an dem Jahr 2019 war eigentlich nur eins: Es kam immer näher. Außerdem haben diese seltsamen ungeraden Jahreszahlen noch nie groß was getaugt. 2022 ist da schon viel besser. Da wirkt so ein Bahnhof mitsamt Mobidresch gleich viel zukunftsorientierter, als ob man in ein paar Jahren hinter der Haltestelle Haunstetterstraße abheben und direkt zur WM nach Katar fliegen könnte.
Lustig waren dann tatsächlich die Reaktionen der Augsburger Politik auf die Kostensteigerungen und Verzögerungen beim Bahnhofsumbau. Vom Drohpotential vergangener Jahre ist nichts mehr übrig und die tiefenentspannte Haltung des Regierungslagers muss selbst den schläfrigsten Michel hellhörig werden lassen. Niemandem war das wohl so klar wie Volker Ullrich. »Ich stehe in engem Kontakt mit Alexander Dobrindt und Wolfgang Schäuble, um eine Finanzierung großer Baumaßnahmen wie die Mobilitätsdrehscheibe hier in Augsburg auch nach 2919 sicherzustellen«, funkte unser stets optimistischer Bundestagsabgeordneter aus Berlin und schob kurze Zeit später hinterher: »Dennoch ist zu begrüßen, dass es jetzt eine verlässliche Kostenaufstellung und einen verbindlichen Zeitplan gibt.«
Ob man Wörter wie »verbindlich« und »verlässlich« wirklich noch in Verbindung mit Verkehrsprojekten verwenden sollte? Und wenn es diese Kosten- und Zeitpläne jetzt gibt, heißt das doch auch, dass alles vorher ungefähr so viel wert war wie eine Transparenzzusage von Sepp Blatter. Doch selbst die Augsburger Grünen scheinen kaum beeindruckt: Für Fraktionsvorsitzende Martina Wild ist es immerhin »bedauerlich, dass sich die Fertigstellung nun doch bis 2022 hinziehen wird.« Ooooch... Nur die Ausschussgemeinschaft aus Linke, ÖDP, Freie Wähler und Polit-WG war »vor dem Hintergrund der unerhörten Kostensteigerungen beim Hauptbahnhof« etwas unsicher, wie man im Stadtrat über die Fusion der Stadtwerke mit Erdgas Schwaben befinden soll. Böse Zungen sprachen in dem Zusammenhang bereits vom Augsburger Münzwurf.
Als Herr der Lage zeigten sich wie immer die Stadtwerke und reagierten erstaunlich gut vorbereitet: Nachdem man aus Versehen noch kurz die Namen alle Abo-Kunden durch die Weltgeschichte geschickt hatte, glänzte schon am Tag nach der Stadtratssitzung zur Fusion eine neue Homepage im Netz. Titel: »Energiestandort 2015«. Da dürfte nicht nur Götz Beck von der Regio das freitägliche Prosecco-Gläschen auf dem Stadtmarkt aus der Hand gerutscht sein. Wie zur Hölle sollen wir denn jetzt auch noch die Dachmarke Energie unterbringen in unserem Mozart-Brecht-Fugger-Umwelt-Frieden-Kuddelmuddel? Das ist vor allem deswegen ärgerlich, weil gerade eine Münchner Agentur die Mozartstadt auf Herz und Nieren – und vor allem auf Kosten der Stadtsparkasse - geprüft hat. Mit dem Ergebnis: Augsburg ist eine Mozartstadt, zumindest eher als Würzburg, wenn auch nicht so viel wie Salzburg, aber auf jeden Fall mehr als Göttingen eine Händel-Stadt ist. Alles klar? Insofern sollte man ein Mozartbüro einrichten und die Kugeln, pardon, Synergien, bündeln. Ende der Durchsage. Wir schalten wieder um zur Energiediskussion.
Besagte Homepage zum »Energiestandort 2015« sieht aus, wie solche Seiten immer aussehen: Fotos von lachenden Bürgermeistern und Vorstandsvorsitzenden wechseln ab mit Kindern, die mit Windrädern spielen und durch sommerliche Weizenfelder streifen. Unter der Rubrik »Bürger fragen – Geschäftsführer antworten« finden wir sogar Informationen zur umstrittenen Thüga AG, die immerhin über sechzig Prozent von Erdgas Schwaben hält: »Die Thüga ist ein Beteiligungsunternehmen von und für kommunale Unternehmen. Das bedeutet, dass die Thüga einerseits im Wesentlichen von Kommunen gehalten wird und sich andererseits vorwiegend an Kommunen beteiligt.« Man beachte die geschickte Verwendung der Ausdrücke »im Wesentlichen« und »vorwiegend«. Die Frankfurter Rundschau drückt es etwas weniger redundant aus: »Sie ist ein rechtlich kompliziertes Gebilde aus einer Überkreuzbeteiligung mit hundert deutschen Stadtwerken.« Dann doch lieber Kinder mit Windrad und Weizen, oder? Zumindest so lange es unser weißblauer Landesvater noch gestattet, Windräder nur wenige Zentimeter vom nächsten Kind entfernt in Betrieb zu nehmen.
Wir möchten dem Ganzen derweil einen weiteren Synergieeffekt hinzufügen und schlagen unserem Dachmarkenpool eine Generalfusion vor. Also jeder mit jedem. Zum Beispiel: »Mobrechfried« und »Fuggenergie«. Die Umwelt wird ausgelagert, bis das Klavier in den Bahnhof kommt. In diesem Sinne: Frohes Richtfest!
Foto: Screenshot/Stadtwerke Augsburg