Schiffbruch an der Floskelbar

Verfasst am: 01.05.2015 | Autor: Florian Kapfer

Da beißt die Maus keinen Brennstab ab, das Leben ist volatil wie eine Horváthsche Hafenhure und mindestens so geschwätzig...

Es ist zum Haareraufen: Warum kann ein Politiker nicht einfach sagen, man müsse etwas gegen Schlepperbanden tun – und dann einfach erklären, was genau dieses Etwas seiner Meinung nach wäre? Im Normalfall benutzt Ottonormalbismarck Stichwörter wie »Schlepperbanden« dazu, vollkommen unnötigerweise minutenlang auszuführen, warum genau diese kriminellen Vereinigungen das Böse unter der Sonne sind: Weil sie das Elend der Flüchtlinge rücksichtslos ausnutzen, Tausende in den Tod schicken, die auf ein neues Leben hoffen und viel Geld dafür zahlen, ihre Familien zurücklassen, um unter Lebensgefahr das Mittelmeer zu überqueren, in vollkommen überbelegten Booten, die auf dem Ammersee nicht mal im Kinderbecken zugelassen würden...

Jeder normale Zuhörer hat also längst abgeschaltet, wenn es zum Kern der Aussage kommen würde, zu dem es aber meist gar nicht kommt, weil entweder die Sendezeit vorüber ist oder unser Volksvertreter vor lauter Pudelei vergessen hat, an einen Kern überhaupt zu denken. Außer Innenminister Thomas de Maizière natürlich, der eine Aufstockung der Mittel fürs Mittelmeer als Anreiz für die Schlepper sieht, noch mehr Flüchtlinge auf die Reise zu schicken. Ein reichlich zynischer Ansatz, der erstens den oben beschriebenen Verbrecherbanden plötzlich ganz seltsame Skrupel zutraut und außerdem in der Hoffnung argumentiert, die Bürger würden seltener im Bett rauchen, weil sie wissen, dass bei der örtlichen Feuerwehr Personalnotstand herrscht.

Die Luft scheppert also gewaltig überall, der Wahnsinn hat oft genug Methode und soll mit viel Text den Mangel an Substanz verbergen. Und im medialen Überangebot unserer Tage schaukelt sich diese scheppernde Luft hoch wie ein Echo, das nie verklingt. Selbst wenn ein Witzbold mal Unsinn wie »zeitnah« oder »proaktiv« in den Sprachtümpel wirft, hört man den Quatsch bereits am nächsten Fußballwochenende beim Spielfeldrandinterview, am Montag dann in der Kantine und Ende der Woche steht es in der Rundmail des Abteilungsleiters (Betreff: Zeitnahe, proaktive Planung der Weihnachtsfeier – Pilates statt Pilatus!). Fast schon automatisch wird bei immer mehr Zeitgenossen auf bestimmte Stichpunkte hin der Phrasendrescher im Kopf angeworfen, während das Gehirn - falls es vorher beteiligt war - eine Auszeit nimmt und auf dem inneren Smartphone Gott weiß was macht.

Wie oft haben Sie schon den Satz gehört, Sonne und Wind würden halt nicht immer zur Verfügung stehen? Diese Schlepperbande von einem Argument hört man in jeder, wirklich jeder Diskussion, die auch nur im Entferntesten mit der Energiewende zu tun hat - und ich will echt nicht prahlen, aber: Ich weiß das schon! Ich wusste das auch schon vor Fukushima und Irsching. Und ich glaube, ich bin nicht der Einzige.

An der Augsburger Floskelbar, Abteilung Energydrinks, ist das schöne Wörtchen »Volatilität« gerade der Renner, quasi das Red Bull der Fusionsdiskussion. Der Energiemarkt ist demnach so »volatil« - also veränderlich, beweglich, schwankend, flüchtig – wie Sonnen- und Windenergie und der bayerische Ministerpräsident zusammen, weshalb man nach geeigneten Partnern suchen müsse. Das kann man so sehen. Andererseits darf natürlich die Frage gestellt werden, ob angesichts eines so unberechenbaren Markts eine langfristige Bindung die richtige Lösung ist.

Da beißt die Maus keinen Brennstab ab, das ganze Leben ist volatil wie eine Horváthsche Hafenhure und mindestens so geschwätzig. Was natürlich nicht heißen soll, ich würde unsere Volksvertreter in diese Ecke rücken wollen. Eigentlich, liebe Damen und Herren Gabriel, Özdemir, Fahimi, Tauber, Göring-Eckardt, Bartsch, Hasselfeld etc., würde ich nur gerne mal ein, zwei Sätze hören, die mir wenigstens das Gefühl geben, Sie würden Ihre Gegenüber an den Rundfunk- und Fernsehgeräten auch nur halbwegs ernstnehmen. Ich verlange kein »Sorry, wir haben noch keine Lösung, wenn Sie mich nächste Woche noch mal anrufen könnten...« und ich würde nie von den Talkshows als »emotionale Pissrinnen« für die »Sprechblasen« der Politiker sprechen, wie es der legendäre Georg Schramm einmal getan hat. Doch dieses Einwickeln in Worthülsen, dieses Wiederkäuen des Selbstverständlichen, dieser Phrasendrahtzaun bringt einen schon fast dazu, auf irgendeinen Dudelmusiksender umzuschalten. Und das schadet dann wesentlich mehr als nur der Frisur...