Berlin Fashion Weak

Ich bin ja nun kein ausgemachter Modekenner. Wobei ich gute Mode durchaus erkenne, wenn ich sie sehe. Zum Beispiel, als ich am Donnerstag in Berlin Unter den Linden entschlangschlenderte, Richtung Brandenburger Tor. Ich lief da so lang und dachte mir: Was für gutgekleidete Menschen! Was für schöne Frauen! So was gibt's in der Dichte eben nur in Metropolen.

Als ich dann weiterging, bemerkte ich eine kleine Veränderung. Mir kamen immer mehr schöne Frauen und Männer entgegen, aber sie waren anders als die üblichen Schönheiten. Sie hatten etwas Starres, Leeres im Blick. Als würden sie angestrengt in einen fernen Spiegel schauen, in dem sie nur sich sahen und der, sollten sie ihren Blick von ihm abwenden oder lächeln, in tausend Stücke zerspringen würde. Als ich am Kronprinzenpalais vorbeikam, erreichte ich dann den Höhepunkt der Schönheit. Ein Banner mit der Aufschrift: "Berlin New Fashion Week".

Dutzende Menschen, die man in zwei Gruppen unterteilen konnte: Solche in teuren, sehr dezenten Klamotten und solche in sehr auffallenden Klamotten (junger Mann, wahrscheinlich Model, sehr dünn, glitzernde Hose in Leopardenmuster, Leopardentasche, rot-blaue Jacke in Camouflage, Hut mit Leopardenmuster). Gemeinsam war allen eine faszinierende Bewusstheit oder auch Einbildung ihrer Wichtigkeit. Wichtige Fotos machen, wichtige Fragen stellen, wichtig den wichtigen Erklärungen des Gesprächspartners folgen, wichtig in Richtung Brandenburger Tor laufen, dabei telefonieren und SHOOTING, SHOW, LABEL betonen.

Ich glaube, dahinter verbirgt sich die Ahnung der Oberflächlichkeit und Vergänglichkeit des Ganzen. Kaum etwas ist so vergänglich wie Schönheit und Mode (wobei Mode immerhin ein Revival erleben kann). Vielleicht ist das schädlich für Menschen. Wenn sich sich mit einer Sache beschäftigen, die aus einem Schein besteht, den man unbedingt aufrechterhalten muss und weiß, dass die Zeit gegen einen läuft. Natürlich läuft gegen uns alle die Zeit, aber ich kenne keine Branche, in der die Zeit so brutal abläuft und ihre Insassen sich auf so gekünstelte Art dagegen wehren. Models sind einfach sehr schöne laufende Kleiderständer mit bewegungsloser Miene und einem lächerlich affektierten Umfeld.

Vielleicht meinte Rilke das, als er schrieb: "Das Schöne ist nichts als des Schrecklichen Anfang."
(me)

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