"Wir bieten Lebensgefühl"

Im April ins Leben gerufen, wandte sich die »Club & Kulturkommission« im Juli 2016 erstmals an die Öffentlichkeit. Zwischen Lobbyarbeit und Vernetzung geht es auch ums große Ganze: das Lebensgefühl in Augsburg.

Wir haben die drei Vorstände Christoph Achzenick, Sebastian Karner und Lothar Schlessmann (v.l.) zum Gespräch getroffen.

Die Szenerie war angesichts des Anlasses doch eher ungewöhnlich: Am späten Freitagnachmittag des 01. Juli 2016 sitzen rund dreißig Personen in einem Konferenzraum im vierten Stock der Augsburger Industrie- und Handelskammer (IHK) in der Stettenstraße. Nur etwa zehn Anwesende sind Pressevertreter, die anderen stellen einen Querschnitt dar durch die hiesige Club- und Veranstalterszene. Eingeladen hat die neugegründete »Club & Kultur Kommission Augsburg e.V.«.
Zumindest zwei der drei Wortführer sind bestens bekannt in der Stadt: Sebastian Karner, Mitbetreiber der »Kantine« im Kulturpark West und seit Juni 2015 Besitzer der Clubs »Beim Weißen Lamm« und »Soho Stage« in der Ludwigstraße, und Lothar Schlessman, Inhaber der Konzertagentur »Hello Concerts«, in Augsburg vor allem ein Begriff durch die Gastspiele von Haindling auf der Freilichtbühne. Der dritte Vorstand ist Christoph »Atze« Achzenick von der Kiezkneipe »Hallo Werner« in der Schrannenstraße beim Bahnhof.

Die IHK hat am selben Tag zum »Kreativcamp« geladen und die Mitglieder der Clubkommission nutzen den Rahmen, sich zum ersten Mal der Öffentlichkeit vorzustellen. Ihr wichtigstes Anliegen steht schon in der Überschrift des zweiseitigen Handouts: »Die Augsburger Szene spricht mit einer Stimme.«

Um den Versuch zu starten, diese lange vermisste, gemeinsame Position einzunehmen, war über ein Jahr Vorarbeit notwendig. Die Idee hat Sebastian Karner noch mit dem jetzigen OB-Referenten und früheren Ludwigstraßenwirt Richard Goerlich entwickelt, der im Vorfeld der Kommunalwahl 2008 bereits die »Popkommission« ins Leben gerufen hatte. Aufgrund der Verbindung zum damaligen CSU-OB-Kandidaten Kurt Gribl wurde der Zusammenschluss seinerzeit eher skeptisch in der Szene empfangen und überstand die Bürgermeisterwahl nur wenige Monate. Immerhin wurde Goerlich Augsburgs erster Popkulturbeauftragter. Seiner Nachfolgerin Barbara Friedrichs oblag es nun, fast acht Jahre später, der aktuellen »Club & Kulturkommission« in den Sattel zu helfen: »Barbara hat quasi zu den ersten Versammlungen einzuladen, um eventuelle Vorbehalte der Clubbesitzer gegenüber Mitbewerbern zu umgehen«, erklärt Sebastian. Seit der Vereinsgründung im April 2016 ist die Kommission aber vollkommen unabhängig.

»Jeder kann mitmachen«

Nach mehreren Vorbereitungstreffen kann sich das Mitgliederverzeichnis durchaus sehen lassen. Zehn Locations sind bis jetzt mit an Bord: Kantine, Lamm, Soho Stage, Hallo Werner, Spectrum, City Club, Ballonfabrik, MoClub, Yum Club und Frau Huber. Dazu kommen die Veranstalter Hello Concerts und Konzertbüro Augsburg, die PR- und Eventagentur Stadtjäger sowie Privatpersonen, darunter ein Mitglied des Skater-Vereins Razed e.V. Womit wir auch schon beim zweiten Ziel wären: größer werden. »Pokémon Go ist ja gerade sehr aktuell, so wollen wir auch weitere Mitglieder einsammeln«, sagt Atze lachend. »Wir haben die Grundlage geschaffen, um keinen auszuschließen und dass jeder mitmachen kann«, fügt Sebastian an.

Die Bandbreite reicht jetzt schon vom ehrenamtlich betriebenen Kulturzentrum über die eher kommerziell ausgerichtete Innenstadtdisko bis zum deutschlandweit tätigen Veranstalter. »Augsburg ist nicht Berlin, wenn wir uns zu eng definieren, sind wir zu wenige, Schlagkraft und Akzeptanz bekommen wir nur mit einer breiten Aufstellung. Ich halte die Unterschiede zwischen den Mitgliedern für eine Stärke«, sagt Sebastian entschlossen. Aber wie bringt man Locations wie die Ballonfabrik und den Yum Club unter einen Hut? Sebastian lacht, die Frage hat er schon öfter gehört. »Natürlich nicht bei sämtlichen Themen, aber wenn es z.B. um die Sperrzeit geht, sind alle dabei.« Weitere Punkte sind u.a. Plakatierung, Terminabsprachen untereinander und Freiluftspielstätten.

Letztere sind vor allem ein Anliegen von Lothar, sein Ringen um die Freilichtbühne, die seit einigen Jahren nur noch vom Theater bespielt wird, ist zum Sinnbild für den Kampf um Outdoor-Auftrittsorte in Augsburg geworden. Und jetzt wird das Theater durch die Schließung des Großen Hauses auch noch zum Konkurrenten in Sachen Konzerthallen. »Da werden Spielstätten über Jahre hinaus belegt! Die Frage ist doch, wie viel Angebot braucht und verträgt die Stadt und wer entscheidet darüber? Da wollen wir mitreden«, so Lothar.

Auch die Kantine weicht für Bands wie Deichkind bisweilen in den Kongress oder die Schwabenhalle aus, aber es muss gar nicht immer so groß sein. Wie schwer es ist, selbst für kleine außerhäusliche Veranstaltungen eine Genehmigung zu bekommen, musste Sebastian erst kürzlich wieder erfahren, als er einen Singer-Songwriter-Abend auf der Terrasse vor dem Lamm organisieren wollte.

Lothar verweist auf die Stadt München. Hier hat der Wirtschaftsausschuss im Juni das kommunale »Kompetenzteam für Kultur- und Kreativwirtschaft« beauftragt, die bestehenden Standorte für Freiluftveranstaltungen zu untersuchen und neue zu erschließen. Die Homepage der Stadt zitiert dazu den Referatsleiter und zweiten Bürgermeister Josef Schmid: »Mehr Open-Air-Konzerte tun München gut. Ich bin froh, dass jetzt mit Hochdruck nach neuen Flächen und Spielstätten gesucht wird.« Und das aus dem Mund eines CSU-Mannes!

Da bekommen die Augsburger große Augen. »Man sieht ja, was möglich ist, wenn die Stadt als Veranstalter auftritt, siehe Sommernächte«, wirft Atze ein. »Oder Fußball!«, grätscht Sebastian dazwischen, »bei der EM gab es eine Ausnahmegenehmigung der Bundesregierung! Nur wenn’s um Musik geht, ist es plötzlich wieder furchtbar kompliziert.« Lothar pflichtet ihm bei: »Wir wollen auch zeigen, dass wir verantwortungsvolle Menschen sind. Und eine Stadt wie Augsburg braucht ein vielfältiges kulturelles Angebot. Wir als Veranstalter und Clubbesitzer bieten dieses Lebensgefühl, das andere Städte als Aushängeschild nutzen. Aber wir brauchen Partner.«

Wir sind viele – aber wie viele genau?

Als Rechtfertigung für die geplante Lobbyarbeit soll nicht zuletzt die Wirtschaftskraft der Club- und Konzertbranche dienen. Genaue Zahlen haben die drei Vorstände zwar (noch) nicht, doch bei der Betrachtung sind die Angestellten ebenso wenig zu vernachlässigen wie die Anzahl der Gäste, von den etlichen Augsburger Bands und DJs, die in den Clubs auftreten, ganz zu schweigen. Es ist ein erklärtes Ziel der Clubkommission, diesen wirtschaftlichen Faktor zu dokumentieren.

Auch Colin Martzy, Kreativwirtschaftsbeauftragter der Stadt Augsburg, kann da nur bedingt weiterhelfen: »Eine einheitliche Definition für die ’Veranstaltungswirtschaft’ gibt es nicht und somit auch keine Datenreports über deren wirtschaftliche Kennzahlen. Diskotheken und Kneipen/Restaurants mit Auftrittsmöglichkeit werden in der Statistik zu unterschiedlichen Wirtschaftszweigen gezählt.« Immerhin kann er zur Gesamtzahl eine Angabe machen: »Unser Verteiler für Läden, in denen Musik- und Kulturprogramm angekündigt wird, umfasst mittlerweile etwa 70 Adressen«, so Colin.

Die andere, nicht zu vernachlässigende Seite der Clubkommission ist die interne Vernetzung: Man redet miteinander, kann sich helfen, absprechen bei Terminen, vielleicht sogar mal einen gemeinsamen Einkauf zu besseren Bedingungen tätigen. Und mit größerem Gewicht auftreten, gegenüber der Politik, den Ordnungsbehörden - und der Presse. »Es gab im Zusammenhang mit der Sperrzeitendiskussion eine Reihe Artikel, in denen im Prinzip nur noch aufgelistet wurde, vor welchem Lokal gekotzt, randaliert oder Lärm gemacht wurde«, erklärt Atze, »da wären wir als Ansprechpartner sicher auch nicht schlecht.« Außerdem versprechen sie sich eine stärkere Position bei Verhandlungen mit großen Playern wie der »Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte«, besser bekannt als GEMA.

Pure Vernunft? Ja, auch...

Der Zusammenschluss hat für natürlich auch einen Preis, der Monatsbeitrag beträgt zurzeit 20 Euro pro Mitglied, kann aber für ehrenamtliche Einrichtungen oder weniger betuchte Interessierte auch herab- bzw. ausgesetzt werden. Wer dabei ist, bekommt nicht zuletzt die Möglichkeit, an Workshops zu Themen wie Versicherung, Steuer, Künstlersozialkasse etc. teilzunehmen, oder einfach in einem lockeren Umfeld auf die Erfahrung der anderen zurückzugreifen. »Schon unsere drei Altersangaben - 32, 41, 57 – finde ich ein tolles Zeichen«, sagt Sebastian abschließend. »Selbst wenn wir nach außen gar nichts erreichen sollten: Dass sich hier Leute zusammenschließen, die oft genug Konkurrenten sind, ist ein Erfolg.«

Und bei all den ernsten Themen soll das Feiern nicht vergessen werden. Die Clubkommission erwägt zurzeit eine gemeinsame Veranstaltungsnacht. »Da ist noch nichts sicher, aber es ist der große Wunsch aller Mitglieder«, so Sebastian. Vielleicht gelingt es tatsächlich einmal, Besucher der Ballonfabrik in den Yum Club zu locken, oder Spectrum-Gäste in den City Club - und umgekehrt natürlich. Und wer weiß, ob 2017 wirklich nur die »Rocky Horror Show« auf der Freilichtbühne gespielt wird... (flo)

Die »Club & Kulturkommission Augsburg« ist zu erreichen unter der Homepage www.clubundkultur.com, E-Mail: info@clubundkultur.com

Foto: Christian Menkel

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