In Luzifers Kinderstube brennt noch Licht

Komplett brechtfrei präsentierte sich der Samstag in der Soho Stage. Hier eröffnete die Augsburger Band Endlich Blüte mit ihrem zweiten Konzert überhaupt. Sänger und Gitarrist Ralf Hess ist bekannt als Veranstalter der "Freak Scene"-Abende, Florian Meya am Bass spielt u.a. in der Begleitband von Oli Gottwald. Stilistisch bewegen sich die vier Jungs souverän im Deutsch-Indie-Bereich mit US-Slacker-Attitüde – auf jeden Fall eine interessante Spezies unter den hiesigen Bordsteingewächsen.

Chuckamuck aus der Bundeshauptstadt waren zuletzt 2013 in Augsburg zu Gast, damals in der frischeröffneten Soho Stage, die sie zwar nicht direkt zerlegten, aber sicher standesgemäß einweihten. Ihre Musik wird gerne als Garagenrock oder -Punk bezeichnet - und man weiß ja, was für Geniestreiche aus so Hinterhöfen kommen können.

Gut, dass die Bühne im Soho so klein ist, bei Chuckamuck weiß man wirklich nicht, wo man hinschauen soll. Wenn die Berliner loslegen, hat man sofort Angst – um das Equipment der Band genauso wie das eigene Wohlbefinden, so viel Spaß kann auf Dauer nicht gesund sein. Weiß der Teufel, wie diese vier Wahnsinnigen zusammengefunden haben, aber Kollege Luzifer lacht vermutlich heute noch.

"Musik ist die Abschaffung von Angst", soll Adorno mal gesagt haben und dass Chuckamuck keine Angst haben, ist offensichtlich. Ihre Musik ist ein überdrehter Bastard, der vermutlich irgendwo in der Plattenkiste linksalternativer Eltern gezeugt wurde, mit Singles und Mixtapes aufgewachsen ist und Tom Sawyer genauso kennt wie, ja, zum Beispiel die "X-Files": respektlos und unverschämt stilsicher, einfallsreich und gentlemanfrech. Auch eine etwas chaotische Kinderstube zwischen Kiss-Postern und Playmobil-Replikas der Ramones ist eine Kinderstube.

Live sind Chuckamuck ab dem ersten Ton nicht zu bremsen, da wippt nicht nur die Fußspitze, sondern gleich der ganze Kerl, vor allem die beiden Gitarristen und Sänger Oska und Lorenz winden sich wie Schlangenmenschen um ihre Mikroständer. Obwohl sie eigentlich nur einen halben Quadratmeter Platz haben, legen sie im Laufe des Konzerts gefühlt mehr Kilometer zurück als so mancher Fußballer, Ausflüge ins Publikum selbstverständlich eingeschlossen. Dazwischen ruht Schlagzeuger Jiles wie ein Buddha auf Speed und Mohair Sam am Bass trägt sein Baumwollhemd ebenso stolz wie den in Stein gemeißelten Scheitel. Jede Agentur wäre froh, auch nur einen solchen Typen im Repertoire zu haben.

Wie gesagt, man weiß gar nicht, wo man hinschauen soll, allen vier Musikern ist der Spaß auch am Ende der Tour deutlichst anzusehen und energetisch bewegen wir uns irgendwo zwischen At The Drive-In und Superpunk. Man könnte mit dieser Band einen Raum heizen, auch das haben sie mit großen Vorbildern gemein und in Sachen Sprachwitz hätten sie prima ins Brechtfestival gepasst. Aber das wäre vermutlich wirklich zu viel des Guten gewesen. Die Gewissheit, dass sich so verschrobene Bands fernab jeglicher Marketingschiene überhaupt noch durchsetzen können, ist schon verdammt viel wert. (flo)

Foto: Powerline Agency

Rubrik: 

Weitere News zum Thema

Karman-Festival goes Provino

Verfasst von Neue Szene am 28.05.2025

Mit Iva Nova (Rus), Los Justicieros (Spain, Südamerika), Boucan (Fr), Cacao Mental (It)

22.05. Ballonfabrik: Koza Mostra (GR)

Verfasst von Neue Szene am 19.05.2025

Wilde Fusion aus traditioneller griechischer Musik, Ska und Punk

Anna Depenbusch in Augsburg

Verfasst von Neue Szene am 13.05.2025

Die Hamburger Liedermacherin spielt heute Abend im Parktheater Göggingen