Was ist die Ballonfabrik für dich?
Verfasst von Neue Szene am 02.06.2025
Jeden ersten Montag im Monat in die Vereinsarbeit der Ballonfabrik reinschnuppern
Die Neue Szene war zwei Tage auf Kreuzfahrt mit Roy Bianco & die Abbrunzati Boys
Ende Juni poppte eine WhatsApp-Nachricht von Roy Bianco himself auf meinem Smartphone auf. Die Message: „Hey Walter, wir würden dich gerne einladen, zwei Tage mit uns auf Tour zu gehen. Im Juli spielen wir eine Open-Air-Show in Mainz und einen Tag später sind wir zu Gast im ZDF-Fernsehgarten. Wir würden uns freuen, dich auf unserem Deppendampfer begrüßen zu dürfen. LG von den Schlager-Casanovas“.
Von Walter Sianos
Ich muss gestehen, diese Nachricht versetzte selbst den Dampfer eines wassererprobten Süßwasser-Kapitäns wie mir in leichten Seegang. Meine Antwort war kurz und schmerzlos: „Bin zu jeder Schandtat bereit!“ Nachdem also mein 1. Offizier im Vorfeld alles mit dem Management der Schlagerbarden abgeklärt hatte, ging es am 20. Juli mit der Bahn nach Mainz. Die Abbrunzatis waren bereits einen Tag zuvor auf Achse und brachten auf der Feier einer Softwarefirma die Sektkorken ordentlich zum Knallen.
Tag 1: Mainz.
Mainz Hauptbahnhof: Die Bundesliga pausiert und trotzdem hat man das Gefühl, es wäre heute Heimspiel. Überall in der Innenstadt dominieren Schlager-Tifosi bereits mittags das Stadtbild, singend und gutgelaunt mit Italien-Trikots, Schals und Bucket-Hats ihrer Lieblinge. Als ich am Veranstaltungsort der altehrwürdigen Zitadelle ankomme, erahne ich erstmals die Größe dieses Events. Überall patrouillieren Securities um das riesige Areal, nach mehreren Kontrollen nimmt mich Tourmanagerin Rike in Empfang und führt mich unter den neidischen Augen der Schlager-Groupies in die Backstage-Area. Es ist aufgedeckt und angerichtet, hier ist alles vom Feinsten, Catering in allen Variationen soweit das Auge reicht.
Während eines Interviews vor zwei Jahren in einer griechischen Taverne hatte ich den Buben nach einigen Runden Ouzo ans Herz gelegt, einmal in Wacken aufzutreten. Ein Schlagerstrudel mitten unter Tausenden von Knochenbrechern, wenn das mal kein Adrenalinkick wäre. „Wenn das klappt, dann bist du an Bord!“ Nun ist es Mainz statt Wacken, auf Tour gehen ist aber tatsächlich eines der letzten Abenteuer, die man definitiv in keinem Reisebüro der Welt buchen kann. Was man hier erlebt, erlebt man sonst nirgends.
Der Empfang auf dem Open-Air-Gelände ist herzlich, es folgen Umarmungen und Baci mit Band und Crew. Schon nach wenigen Minuten geht es nur noch um drei Buchstaben: FCA. Welcher Spieler kommt, welcher geht, Calcio ist naturalmente auch in Mainz ein großes Thema!
Aber wo sind eigentlich Koks, Weiber und Schampus? Fehlanzeige!
Die Band ist diszipliniert und bis in die Haarspitzen konzentriert, das Konzert ist mit 6.000 Besuchern restlos ausverkauft, es ist ihre bisher zweitgrößte Soloshow ever. Die Stimmung ist gelöst, auffällig ist, welch respektvollen und freundschaftlichen Umgang hier alle pflegen. Das Wort Etikette wird nicht mit einem Preisschild in Verbindung gebracht, gute Erziehung ist eben keine Glückssache.
Es ist 19:45 Uhr, noch ein Viertelstündchen bis Showtime. Die Kapelle begibt sich hinter die Bühne, es folgt ein Teamgeist-Ritual zusammen mit der gesamten Crew. Alle stehen im Kreis und pushen sich gegenseitig.
Was folgt, ist schnell erzählt. Als die Abbrunzatis die Bühne bei über 30 Grad betreten, gibt es kein Halten mehr. Von der ersten Minute ab feiern 6.000 vorwiegend junge Menschen gemeinsam eine ausgelassene, stets friedliche Party, die Texte werden vom ersten Takt bis zum Grande Finale mitgesungen. Nur dass keine Missverständnisse aufkommen, hier ist es nicht wie im Bierkönig, auch bei den Anhängern der Abbrunzatis gilt: Niveau ist keine Handcreme. Ich bin sehr beeindruckt von der Symbiose zwischen Band und Publikum.
Nach der Show sitzen alle entspannt in der Backstage-Zone, nehmen gemütlich Drinks zu sich und unterhalten sich mit Bekannten und Freunden.
Entdeckung des Abends: Zanti serviert „Spezi Spezial“ - Ramazotti mit gelber Limo, Eiswürfeln und Zitrone.
Die Nacht ist für einen Altrocker wie mich erstaunlich früh zu Ende, die Crew verfrachtet die Anlage in einen Sattelschlepper und fährt dann anschließend mit einem Nightliner Richtung Heimat. Zwei Fahrzeuge stehen bereit, die uns ins Hotel transferieren, um 01:00 Uhr liegen wir alle brav in unseren Hotelbetten, nicht einmal ein Absacker ist noch drin. Wer will schon versoffene Musiker im TV sehen? Gute Nacht, John-Boy!
Tag 2: Der ZDF-Fernsehgarten.
Pünktlich um 9:00 Uhr stehen zwei Shuttle-Busse bereit. Es geht direkt an der Mainzer Mewa-Arena vorbei ins Reich des Fernsehens. An der Pforte warten bereits einige Hundert Fernsehgarten-Junkies, die neugierig durch die getönten Scheiben der Busse blicken. Was für riesiges Areal, der Lerchenberg ist quasi eine Stadt in der Stadt, eine Mischung aus Silicon Valley und Disneyland. „Von hier aus wird Deutschland regiert“ sinniert Roy. Jetzt weiß man auch, wo unsere TV-Gebühren landen, ich muss aber zugeben, das hat schon was.
Zwei Mitarbeiterinnen des ZDF empfangen die Band, hier ist jede Minute getaktet und durchorganisiert. Während Roy und Zanti gleich wegen eines Interviews davondüsen, beschließen die anderen Bandmitglieder einmal kurz das Gelände zu inspizieren. „Lass uns mal rumlaufen, ohne Glitzerklamotten und die beiden anderen wird uns schon keiner erkennen“. Denkste, es dauert keine Minute, bis Bungo, Eisensepp, Ralph Rubin und Blechkofler von Fans in allen Altersklassen umringt sind, es folgt ein Selfie-Marathon und man signiert geduldig T-Shirts und Fotos. Der Erkundungstrip wird abgebrochen, es geht wieder zurück in die Backstage-Area. Die Söhne Mannheims haben es sich bereits bequem gemacht, nach und nach laufen die anderen Gäste ein. Nicole und Nino de Angelo geben sich freundlich und locker, begrüßen die Jungs und fragen nach Selfies und Autogrammkarten (!).
Radio-Moderatoren sind schon eine besonders aufgedrehte Spezies, aber Fernsehleute toppen das locker. Immer in Bewegung, immer in Aktion mit Headset auf dem Kopf und Klemmbrett unter den Achseln, immer ein flotter Spruch. Was man auf Tour unendlich hat, ist Zeit. Man kommt an und wartet bis zum Soundcheck. Nach dem Soundcheck vergehen meist Stunden bis zum Auftritt. Jeder verbringt sie individuell, die einen gehen in sich, die anderen lesen oder hören Musik. Ralph Rubin, Blechkofler und Bungo haben ein Golfcart entdeckt und machen auf dicke Hose. Die Abbrunzatis sind selbst in dieser Glitzerwelt „Jenseits von Eden“ Paradiesvögel.
Zwischen 1,5 und 2 Mio. Zuschauer
Ich habe mich immer wieder gefragt, wer denn sonntags zwischen 12:00 und 14:00 Uhr vor der Glotze sitzt und so etwas kuckt. Zwischen 1,5 und 2 Mio. Zuschauer begrüßt Moderatorin Andrea Kiewel pro Sendung und wie wir erfahren, ist gerade die Quote bei den 14 bis 19-Jährigen in den letzten Monaten stark angestiegen.
Noch 15 Minuten bis Showtime. Noch eine Schampusspritze und dann Abmarsch Richtung Arena. Die Gästebetreuerin geht voraus, auf dem Weg zur Bühne kann man schon erahnen, was die Schlager-Gigolos hier in den nächsten 15 Minuten erwartet. Die Fans stehen Spalier und feuern die Jungs heißblütig an. Hier kann nichts schiefgehen, der Lerchenberg ist schon jetzt erobert. Vor dem Auftritt noch eine kurze Besprechung mit der TV-Crew und dann ist es soweit. Etwa 5.000 Fans sind heute gekommen, Andrea Kiewel kündigt die „coolen Boys“ an und im Hintergrund kann man schon deutlich die „Roy Bianco“-Schlachtrufe der über 1.000 Abbrunzati-Tifosi hören, die nur wegen drei Minuten Showtime angereist sind, eine Gruppe davon sogar aus Augsburg.
„Aida“ war gestern, „Velocitá“ ist die Gegenwart und Zukunft!
Roy Bianco & Gesellen ziehen mit der Nummer „Velocitá“ eine unglaubliche Show ab, das Publikum ist außer Rand und Band und selbst ältere Semester, die sonst Howard Carpendale, Roland Kaiser oder Cindy & Bert supporten, reißt es von ihren Fernsehgartenstühlen, wie entfesselt klatschen die Schlager-Boomer nach anfänglicher Skepsis in vollen Zügen mit. Der „Schlagerstrudel“ hat auch im Fernsehgarten gewütet und eine Schneise der Begeisterung hinterlassen. Der Weg zurück in die Backstage-Area entpuppt sich als echter Triumphzug, die Tifosi stehen wie bei der Giro d´Italia am Wegrand und feiern ihre Helden. Da capo, da capo, diese drei Minuten in Halbplayback haben die Welt des Schlagers zum Beben gebracht.
Auch Nino de Angelo und Nicole ist dieser denkwürdige Auftritt nicht entgangen, gleich nach der Show gibt es Shake Hands und Gratulationen. „So etwas habe ich in den fünf Jahren, in denen ich hier arbeite noch nicht erlebt“, staunt die Gästebetreuerin.
Viel Zeit zum Feiern bleibt nicht, denn bereits um 14:40 dampft der Zug in Richtung Heimat ab. Mit dem Fahrservice geht es Richtung Hauptbahnhof. Dort angekommen machen wir es uns in der Bahnhofshalle mit einem Stück Pizza und einer Dose Bier gemütlich. Aber die Ruhe hält nicht lange an, immer wieder wird die Band erkannt und um Selfies gebeten. Das sollte sich auch während der Zugfahrt nicht ändern, erstaunlich, mit welcher stoischen Geduld das alles gemeistert wird.
Ich wusste, dass Roy Bianco & die Abbrunzati Boys Stars sind, aber inzwischen hat ihr Status tatsächlich erstaunliche Dimensionen erreicht. Nach Roy Black, Helmut Haller und Bert Brecht sind die Boys zweifelsohne die bekanntesten und wichtigsten Botschafter unserer Stadt.
Ausverkaufte Tour im Herbst - 15.000 in der Münchener Olympiahalle
Im Oktober 2024 folgt die Tour zum neuen Album „Kult“. Von den 15 Shows in Deutschland, Österreich und der Schweiz, sind 12 bereits ausverkauft, darunter die Olympiahalle in München mit einer Kapazität von 15.000 Menschen.
„Es ist nicht leicht, nach solchen Wochenenden wieder in die Realität einzutauchen“, zwinkert mir Roy grinsend zum Abschied zu, als wir uns am Augsburger Hauptbahnhof verabschieden. So ist er eben, der ganz normale Wahnsinn! (ws)
Verfasst von Neue Szene am 02.06.2025
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Kostenfreies Programm auf dem Martin-Luther-Platz von 10 bis 16 Uhr
Verfasst von Neue Szene am 02.06.2025
Stadtfest in Neusäß vom 4.–6. und 10.–13. Juli