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Verfasst von Neue Szene am 07.07.2025
Kanute Noah und Koch Jonas Hegge über ihr Projekt AWHU
In der DJ-Kanzel mit den Augsburger Club-Pionieren Stefan Sieber und Tobias Schmid
Tobias Schmid und Stefan Sieber sind in Augsburg echte Club-Pioniere. 2001 starteten sie ihre legendäre Clubreihe „auto.matic.music“, 2011 ging das auto.matic.open vom Stapel. Dieses Jahr feiert ihr Electronic-Festival das 15-jährige Jubiläum. Walter Sianos traf die beiden Augsburger Club-Pioniere Tobias Schmid und Stefan Sieber zum Interview
Noch ein paar Tage bis zum Jubiläumswochenende. Steigt so langsam das Lampenfieber?
Tobi: Ja, definitiv. Auch nach all den Jahren ist man immer wieder nervös – besonders in den letzten zwei Wochen. Es gilt die Teams zu motivieren, Social Media zu bespielen und tausend Dinge im Blick zu behalten: Ist alles organisiert? Wie wird das Wetter? Passt das Booking? Kommen die Artists rechtzeitig? Mit der Zeit wächst die Routine, aber die Aufregung bleibt.
15 Jahre auto.matic.open. Genau genommen habt ihr mit eurer Partyreihe auto.matic.music jetzt ein Vierteljahrhundert auf dem Buckel. Wie schafft man es, so lange auf dem Party-Laufsteg sexy zu sein?
Stefan: Wir sind sehr dankbar für diese lange und schöne Zeit. Das ist wirklich nicht selbstverständlich. Es macht uns happy, dass wir nach all den Jahren immer noch Menschen zusammenbringen und gemeinsam gute Momente erleben können. 25 Jahre klingen natürlich lang, aber wir hatten das Glück, immer von einem starken Freundeskreis getragen zu werden. Und was uns besonders freut: Auch die nachfolgenden Generationen haben uns nicht als “old” abgestempelt.
Tobi, du wohnst seit vielen Jahren in Hamburg. Für dich ist auto.matic eine unverzichtbare Brücke in die Heimat.
Tobi: Ja, tatsächlich ist es mittlerweile auch schon 25 Jahre her, dass ich nach Hamburg gezogen bin. Dank unserer monatlichen Partyreihe – erst im Kerosin, später im Schaf und schließlich im City Club – hatte ich immer das große Glück, die Verbindung zu Augsburg nie zu verlieren. Ohne diese Konstante würde mir definitiv etwas fehlen. Auch wenn ich räumlich weiter entfernt bin, war ich gedanklich nie wirklich weg.
Ihr habt als Elektronik-Pioniere die Stadt musikalisch geprägt. Was waren eure absoluten Highlights?
Tobi: In fast 400 Clubnächten und mittlerweile der 13. Ausgabe von OPEN gab es natürlich unzählige Highlights. Einige sind mit der Zeit etwas verschwommen, andere erkennt man oft erst im Rückspiegel als etwas Besonderes. Ein echtes Highlight ist für mich, wenn man heute spürt, was diese Partyreihe den Leuten bedeutet. Für viele war sie sogar der Einstieg in die Welt des Techno.
Nach 18 unglaublich erfolgreichen Jahren war 2019 Schluss. Was hat euch zu diesem Schritt bewogen?
Stefan: Wir wollten nie ein Auslaufmodell sein. Der monatliche Clubabend war eng mit unseren Personen und mit unserer Präsenz verknüpft. Man wird ja auch älter, die Familien- und Jobsituationen haben sich verändert, deine Freunde gehen nicht mehr so viel aus, das Publikum wird jünger und am Ende geht das Putzlicht an und man kennt fast niemanden mehr. Viele könnten auch fast deine Kinder sein. Alles hat seine Zeit. Unsere war fantastisch.
2018 hat man euch den Augsburger Pop-Preis ROY in der Sparte Lebenswerk verliehen. 2024 habt ihr ihn erneut für euer Open-Air im Kesselhaus bekommen. Ich denke mal, das sind Trophäen, die man gerne entgegennimmt und auch die Frau Mama mit stolzgeschwellter Brust zur Kenntnis nimmt.
Stefan: Beide ROYs haben wir stellvertretend entgegengenommen, denn sie stehen für weit mehr als nur unsere Arbeit. Ohne die vielen Menschen, die uns über die Jahre unterstützt haben – von Freunden über Clubbesitzer bis hin zu unserem großartigen Publikum – wäre auto.matic.music nie so weit gekommen. Besonders die OPEN sind ein echtes Gemeinschaftsprojekt, bei dem viele tatkräftig mit anpacken.
Tobi: Der ROY fürs Lebenswerk hat uns sehr gefreut, auch wenn er sich damals ein bisschen verfrüht angefühlt hat. Unsere Eltern haben lange nicht so recht verstanden, was wir zwei Jungs aus Schwabmünchen da eigentlich machen – da hat der Preis schon ein wenig zur Einordnung beigetragen.
Als ihr 2001 mit eurer Partyreihe im Kerosin und später im Schwarzen Schaf losgelegt habt, da waren die Clubs proppenvoll und ein Couch-Wochenende mit Netflix war ungefähr so realistisch wie ein Bierzelt in Pjöngjang.
Tobi: Yes, das war wirklich eine andere Zeit und wir sind sehr dankbar, dass wir die goldenen Rave Jahre miterleben durften. Es gab keine Handys mit Kameras, nichts wurde ständig dokumentiert. Diese Nächte wirken bis heute nach und sind tief in unseren Herzen und Köpfen eingebrannt. Die Clubs waren damals unser Instagram – man musste rausgehen, sich verabreden und wirklich treffen. Aber wir wollen die heutige Zeit deshalb nicht schlechtreden. Die Leute gehen ja immer noch aus, tanzen, feiern und begegnen sich. Nur läuft es heute eben anders ab. Sie müssen anders motiviert werden. Wenn nicht gleich alles perfekt, super oder spektakulär ist, swiped man halt einfach weiter zum nächsten Feuerwerk.
Die Clubszene durchläuft derzeit eine echte Krise. Clubs schließen, Festivals melden rückläufige Zahlen, das Ausgehverhalten bei den Jugendlichen hat sich verändert. Habt ihr Mitleid mit der jungen Generation?
Tobi: Mitleid würde ich es jetzt nicht nennen, aber es ist aktuell nicht mehr so einfach wie es vielleicht schon mal war. Die vielen Einflüsse, die täglich auf einen einprasseln, die vielen Möglichkeiten und deren ständige Verfügbarkeit müssen erst mal gebündelt und sortiert werden. Das ist meiner Einschätzung nach für einen jungen Menschen nicht so einfach und auch manchmal to much. Ich möchte der Pandemie nicht die Schuld für die aktuelle Krise geben, dennoch hat es sich verschärft und es ist einer Generation was verloren gegangen.
Stefan: Die Krise der Clubs gibt schon Anlass zur Sorge. Clubs sind kuratierte Orte der Sozialisierung und werden in ihrer Bedeutung oft unterschätzt. Eine gute Clubnacht ist wie eine gut funktionierende Gesellschaft. Man versteht, wie alles zusammenhängt, welche Personen wichtig sind. Welche Voraussetzungen gegeben sein müssen, dass ein guter Vibe entsteht, wie sich Sachen regulieren, damit es eine gute Nacht wird und was sich daraus wiederum ergeben kann. Das können dir die Socials leider nicht bieten.
Wie beurteilt ihr die regionale Clublandschaft?
Stefan: Die steckt derzeit in einer schwierigen Phase. Nach der ersten Euphorie nach der Pandemie hat sich ein Graben aufgetan, der immer größer wird. Vieles schließt und es entsteht zu wenig Neues. Um ehrlich zu sein, habe ich mich beim Gewinn des jetzigen Roys am Anfang sehr gefreut, aber dann auch gefragt: Hey, was bedeutet es eigentlich, dass wir den Preis gewinnen? Was ist die Botschaft dahinter? Generell sprudelt es mir gerade zu wenig. Früher war da in Augsburg schon mal mehr Bewegung drin.
Tobi: Ich hoffe, wir klingen jetzt nicht wie so alte Dudes, die glauben, alles besser zu wissen.
Stefan du warst von 2011 bis 2015 Festivalleiter des Modular Festivals. Was hat dich diese Zeit gelehrt?
Stefan: If you can make it here, you can make it everywhere (lacht). Man braucht eine klare Vorstellung davon, was man erreichen möchte, und ein gutes Team. Der Rest ergibt sich dann fast von selbst. Diese Zeit war für mich eine wertvolle Erfahrung und hat gezeigt, dass man mit den richtigen Leuten, einem offenen Mindset und Durchhaltevermögen – auch nach Rückschlägen – Großes schaffen kann. Wichtig ist außerdem, auch schwierige Entscheidungen zu treffen und dazu zu stehen. So kann man wirklich etwas Besonderes auf die Beine stellen.
Was macht das auto.matic.open aus? Ist es diese Leichtigkeit, die dieses Fest umschleiert?
Tobi: Wir haben einfach immer gemacht und nie zu viel darüber nachgedacht. Die Party entstand für unsere Freunde und für uns selbst. Mit der Zeit wurde sie größer und populärer, und wir haben sie immer wieder ein Stück neu erfunden. Dabei war es wichtig, immer wieder neue Leute mit ins Boot zu holen, zum Beispiel Sedef Adasi, David Kochs oder Raphael Schön. Stillstand war nie eine Option.
Letztes Jahr gab es zum ersten Mal einen zweiten großen Floor hinter dem Kesselhaus? Hat sich das bewährt bzw. wird es diese Konstellation erneut geben?
Stefan: Es gab schon vorher einen zweiten, allerdings sehr kleinen Floor hinter dem Kesselhaus. Den Floor kuratierte Sedef seit 2017, und er wurde immer beliebter, sodass er schließlich zu klein wurde. Beim Abbau 2023 sind wir dann durch das Industriegelände hinter dem Kesselhaus gelaufen. Unter der Brücke zwischen den beiden Lagerhallen haben wir uns gedacht: Hier muss ein DJ-Pult hin. Das hat richtig London- oder New-York-Vibe. Stephan Schulz hat das möglich gemacht und Markus Puhlmann seine magischen Visuals eingesetzt, um den Floor perfekt in Szene zu setzen. Letztes Jahr hat der dann richtig gekickt.
Auf wen freut ihr euch ganz besonders?
Tobi: Da kann man fast niemanden einzeln herauspicken, denn alle, die bei den OPEN auflegen, finden wir großartig. Besonders freue ich mich auf die Mischung aus Newcomer Star Deer Jade oder alten Hasen wie Âme, aber auch auf all unsere großartigen Local Heroes.
Stefan: Ich freue mich vor allem auf die hoffentlich lächelnden und freundlichen Gesichter unserer Gäste. Das ist für mich das schönste Zeichen.
Zum Abschluss bitte einen realistischen und einen utopischen Wunsch für die Zukunft?
Tobi: Wenn die Zeichen weiter gutstehen, gerne das 25-jährige Open Jubiläum feiern. Denn Raven ist gut fürs Karma.
Stefan: Weil gerade alles so irre ist: Peace für die ganze Welt. Leider utopisch. (ws)
auto.matic.open
11.+12.07., Augsburg/Kesselhaus
Line Up:
Âme – Bertie - Daniel Bortz - David Kochs - Deer Jade - Djonni Laser - Jonathan Kaspar - Lindenberg Support - Matthias Lein - Palms Trax – Paramida - Raphael Schön - Sedef Adasi - Siebi Wonder - Tamara Wirth - Tobias Schmid - Valentin Zelz
www.automaticmusic.de
Tickets: www.kesselhaus.de
Fotos: Dominik Kneissl
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